Xiphophorus meyeri im Aquarium

Biodiversität: Wie ein ausgestorbener Fisch (auch dank Aquarianern) weiterlebt

Biodiversität, diesen Begriff hat wohl jeder schon mal in seiner Schullaufbahn gehört. Für viele ist dies schon (zu) lange her. Also, was bedeutet Biodiversität genau?

Biodiversität wird als synonym zu Artenvielfalt benutzt. In Wirklichkeit ist aber Artenvielfalt nur ein Teilaspekt der biologischen Vielfalt, die man insgesamt dann als Biodiversität bezeichnet. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem griechischen bios (Leben) und dem lateinischen diversitas (Vielfalt).

Die Vielfalt ist wichtig, denn das Leben findet immer vernetzt statt: Eine einzelne Art kann kein Biotop bilden. Nur das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Arten hält einen Lebensraum im lebendigen Gleichgewicht. Darum ist das Aussterben jeder einzelnen Art — also eine Verringerung der Biodiversität — ein Verlust für das gesamte Leben dieses Planeten an sich.

Darauf soll auch der „Internationale Tag der Biodiversität“ aufmerksam machen, den wir heute feiern.

Wider das Aussterben

Mit dem Wissen um die vernetzte Natur versucht man auf der ganzen Welt zunehmend, sich dem Artensterben entgegen zu stemmen und gefärdete Arten zu erhalten. Was angesichts des immer rasanter zunehmenden Flächenverbrauchs der Menschen extrem schwierig ist. Andererseits geht auch kein Weg daran vorbei, wollen wir nicht sehr schnell unser aller Lebensgrundlage verlieren.

So stellen sich Zoos und andere Einrichtungen der Herausforderung, gefährdete Tierarten immer wieder in Gefangenschaft zu züchten und die Nachkommen dann auszuwildern. Manchmal gibt sogar die Situation, dass eine Tierart in der freien Natur bereits ausgestorben ist, aber in Zoos oder Forschungseinrichtungen noch lebt. Und mit viel Sorgfalt und Mühe können dann auf der Basis solcher „Restbestände“ in Gefangenschaft eine Art sogar wieder in die Natur zurückgebracht werden. So haben bereits rund 50 Tierarten, die in der Natur bereits ausgestorben sind, durch die Arbeit von Zoos bisher überlebt — immer nach dem Motto des britischen Zoologen von Gerald Durrell[1]:

„Save them, breed them, keep them safe and then – if there still is a ‚there‘ to put them back into – put them back there.“

(Übersetzung: „Rettet sie, züchtet sie, haltet sie in Sicherheit und dann – wenn es noch ein ‚dorthin‘ gibt, in das man sie zurücksetzen kann – setzt sie dorthin zurück.)

Gerald Durrell, britischer Zoologe, https://www.vdz-zoos.org/themen/natur-und-artenschutz

Ein solcher Fall, bei dem eine Art durch menschliche Eingriffe bereits ganz kurz nach ihrer Entdeckung und Erstbeschreibung ausgestorben ist, aber in Gefangenschaft weiterlebt, ist der Xiphophorus meyeri.

Die Gattung Xiphophorus

Xiphophorus ist der Gattungsname der „Lebendgebärenden Zahnkarpfen“, zu der derzeit 28 Arten gezählt werden.

Exkurs: Gattungsbegriff und Systematik

Eine Gattung ist eine Rangstufe innerhalb der Hierarchie der biologischen Systematik. In einer Gattung werden nahe verwandte Arten zusammengefasst, während umgekehrt verwandte Gattungen zusammengefasst werden zu einer „Familie“.

Ob mehrere Tiere derselben Art zugehören oder verschiedenen Arten, wird anhand ihrer Merkmalen bestimmt sowie daran festgemacht, ob sie sich untereinander vermehren können. Allerdings: Beides sind keine mathematisch „exakte“ Wissenschaft: Individuen einer Art unterschieden sich schon optisch mitunter stark (das sieht man nicht zuletzt beim Menschen) und auch manche unterschiedlichen Arten können sich erfolgreich paaren. Die Forschenden legen ihr Augenmerk deshalb besonders auf Veränderungen an solchen Merkmalen, die nicht stark individuell variieren, um eine Artunterscheidung zu treffen.

Die Summe der aufgefundenen Veränderungen, die zwei Arten voneinander unterscheiden, nennt man ihren „morphologischen Abstand“. Und als Grundprinzip gilt: Je größer der morphologische Abstand von zwei Arten ist, desto weniger eng sind sie miteinander verwandt. Weisen also zwei Arten zueinander einen geringeren morphologischen Abstand auf, als zu anderen ählichen Arten, geht man davon aus, dass die Arten mit den wenigeren Veränderungen — dem geringeren morphologischen Abstand — näher zueinander verwandt sind, als Arten mit einem größeren morphologischen Abstand (also mehr Veränderungen zueinander).

Die in einer gemeinsamen Gattung zusammengefassten Arten haben also eine engere gemeinsame „Abstammung“. Sie sind recht nahe miteinander verwandt und haben sich in der Evolution somit erst relativ spät („erst neulich“) voneinander abgetrennt, indem sie ein oder mehrere Merkmale verändert haben, so dass sie sich (i.d.R.) nicht mehr miteinander vermehren können.

Schätzte man früher die Verwandschaftsbeziehungen allein aufgrund von körperlichen Merkmalen ab, wird mittlerweile meist auch die genetische Basis betrachtet. Manchmal führt dies dazu, dass die bisher angenommenen Verwandschaftsbeziehungen korrigiert werden müssen, beispielsweise weil sich genetisch zeigt, das zwei gleich wirkende körperliche Merkmale von der Anlage her komplett unterscheiden und somit gar nicht wirklich identisch sind (und somit keine Verwandschaft zeigen) oder zwei komplett anders aussehende Körpermerkmale genetisch fast übereinstimmen und damit eng verwandt sind.

Das Verbreitungsgebiet der Gattung Xiphophorus befindet sich in Mittelamerika sowie im südlichen Nordamerika.

Ursprünglich bestand die Gattung ausschließlich aus Arten, deren Männchen einen schwertartigen Fortsatz an der unteren Schwanzflosse haben. Der bekannteste Vertreter ist der Schwertträger (Xiphophorus hellerii). Hiervon leitet sich der Name ab, aus dem griechischen Wort xiphos (Schwert) und phorein (tragen), was zu dem latinisierten Namen Xiphophorus führte.

Mittlerweile weiß man durch Untersuchungen aber, dass Platys (9 Arten) mit den Schwertträgern verwandt sind, so dass sie nun derselben Gattung zugerechnet werden.

Die unterschiedlichen Xiphophorus-Arten werden zwischen 3,5 – 15 cm groß. Es besteht ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus, das bedeutet: Die Männchen und Weibchen derselben Art unterscheiden sich optisch deutlich voneinander.

Das natürliche Vorkommen der Xiphophorus-Arten ist sehr variabel, so kommen sie in fließenden Gewässern wie Gebirgsbächen ebenso vor wie in Flussmündungen, Seen, Sümpfen und Lagunen. Alle Arten sind Allesfresser, sie ernähren sich von wirbellosen Tieren und pflanzlicher Kost.

Ausgestorben aber lebendig: Xiphophorus meyeri

Eine vor nicht sehr langer Zeit erstmals beschriebene Xiphophorus-Art ist der Xiphophorus meyeri. Xiphophorus meyeri oder auch Marmor-Platy genannt, wurde 1997 das letzte mal in freier Wildbahn gesehen und gilt als „in der Natur ausgestorben“. Mit dieser Kennung ist er bereits 2019 von der IUCN auf die Rote Liste gesetzt worden. 

Zum so raschen Aussterben in freier Wildbahn kam es, weil die Art nur an wenigen Stellen überhaupt vorkam. Denn die Spezies kommt ursprünglich aus Mexiko und stellt(e) damit die am weitesten nördlich lebende Art der Gattung Xiphophorus dar. Gefunden wurde sie dort nur an wenigen Stellen, in einem Becken (Río Salado ecoregion) und einer nahen Quelle. Mittlerweile dient diese Quelle aber der Wasserversorgung der Stadt und der umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe. In manchen Jahren trocknet sie durch die Nutzung völlig aus. Wie bei ihrem nahen Verwandten, dem Monterrey-Platy (X. couchianus), war es auch hier also der steigende Wasserverbrauch der Menschen in der Region, der den Untergang der so lokal vorkommenden Art bedeutete.

Doch das war nicht das Ende des Xiphophorus meyeri!

Denn wie bei vielen in der Natur ausgestorbenen Fischen gibt es auch zum Xiphophorus meyeri ein Arterhaltungsprogramm.

Arterhalt auch durch Privatpersonen

Denn Xiphophorus meyeri überlebte — in einigen Forschungseinrichtungen und Privataquarien blieben lebendige Exemplare. Und von hier ausgehend begann man, die Art wieder gezielt zu vermehren.

Xiphophorus meyeri - Weibchen und Männchen
Xiphophorus meyeri – Weibchen und Männchen.
Foto: Tnophelia via Wikimedia, Lizenz: CC0

Dabei ist „der meyeri“ im Vergleich zu den anderen Xiphophorus-Arten zwar weniger produktiv, dennoch ist es möglich, von einem einzigen Ausgangstier nach vier Generationen eine Nachkommenzahl von 19.000 Exemplaren in etwas mehr als einem Jahr zu erhalten (10 Jungfische pro Wurf, die ihrerseits wieder jeweils 10 Jungfische pro Wurf produzieren…), wenn man von einer Generationsfolge von 12 Wochen ausgeht. Die tatsächlichen Nachkommenzahlen bei Kleinfischen ist i.d.R. sogar noch höher.

Und die Haltungsbedingungen sind recht einfach, vergleichbar mit den gängigen Xiphophorus-Arten.

Warum also ist dieser Fisch dennoch so selten in Aquarien zu finden?

Das liegt wohl am Erscheinungsbild der Tiere, können diese doch mit den Farbbild Ihrer nahen Verwandten wie z.B. Xiphophorus hellerii nicht mithalten. Daraus folgt: Es gibt von Seiten der Aquarianer keine Nachfrage. Darum sind Raritäten letztendlich Raritäten — weil sie kaum jemanden interessieren.

Dabei möchte das Arterhaltungsprogramm durchaus auch Privat-Aquarianer ansprechen, um die Basis der Arterhaltung breiter aufzustellen und auch die genetische Vielfalt innerhalb der Art zu stärken:

Es ist das Ziel dieses Projektes, die in Aquarien gezüchtete Populationen zu stärken, die genetische Vielfalt zu fördern und die Anzahl der Fische zu vergrößern, um so das Überleben der Spezies zu ermöglichen. Jeder der Teil unseres Netzwerks sein möchte und eine oder sogar mehrere Arten des nördlich Platys züchten möchte, ist herzlich willkommen.

https://www.conservation.oevvoe.org/de/xiphophorus-northern-platyfish

Tatsächlich listet das Projekt neben dem Leipziger Zoo und dem Tierpark Berlin-Friedrichsfelde auch neun Privatpersonen auf, die Xiphophorus meyeri halten und züchten.

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ZooMos Tipp

Möchtest Du auch Teil des Artenerhaltungsprogrammes werden und X. meyeri bei dir züchten?

Dann melde dich einfach formlos per Mail bei der ProjektleiterinMarkéta Rejlková oder dem stellvertretenden. Projektleiter Torsten Friedrich.


Bleibt nur eines zu hoffen: Dass sich in naher Zukunft auch wieder ausreichend sichere natürliche Lebensräume finden, in denen der kleine Geselle erfolgreich wieder angesiedelt werden kann!

Kopfbild: ‚Livebearerguy‘ via Wikimedia, Lizenz: CC BY-SA 4.0

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